Indigene Gemeinschaft
aus dem Buch Der Dialog im Unternehmen. Inspiration, Kreativität, Verantwortung von Linda Ellinor und Glenna Gerard (Klett-Cotta 2000)
David Bohm erzählte oft eine Geschichte, bei der es darum ging, wie ein westlicher Mensch sich fühlen würde, wenn er nachts mit Angehörigen eines indigenen Stammes um ein Lagerfeuer säße. Angenommen, es gäbe keine Sprachbarriere, so könnte dieser westliche Mensch das Gespräch für zielloses Gerede halten, das nirgendwohin führt und in dem zusammenhangslos viele Themenbereiche abgehandelt werden. Möglicherweise würde er überhaupt keinen roten Faden erkennen können.
Wenn der indigene Stamm von den amerikanischen Plains stammte, stünden am nächsten Morgen vielleicht alle auf und gingen gemeinsam auf Büffeljagd. Unser westlicher Mensch sieht, wie gut koordiniert die Handlungen aller sind. Die Jagdteilnehmer wissen genau, was zu tun ist, obwohl es keine offensichtliche Struktur und keinen offensichtlichen Plan gibt. Wie ist das möglich? Wie kann das das Ergebnis ziellosen Geredes sein? Wer hat die Rollen festgelegt, und wer hat das Sagen? Wann wurden die Pläne gemacht? Für uns in unserer westlichen Art, die Dinge anzupacken, ergibt das wenig Sinn.
Man könnte spekulieren, dass die Entstehung der dialogischen Form in dieser Art informeller Unterhaltung zu suchen ist: bei unseren Vorfahren, die in kleinen Stammesverbänden lebten und durch das gesprochene Wort einen miteinander geteilten Sinn schufen. Nachts, wenn es zu dunkel für die Jagd oder die Arbeit war, saßen sie zusammen und erzählten sich Geschichten über ihr Tagwerk und das, was sie erlebt hatten. Möglicherweise aufgetretene Spannungen wurden verarbeitet und von den Ahnen überlieferte Geschichten weitergegeben. All das ergab den Samen für das Zusammenleben und -arbeiten in der Gemeinschaft und wirkte wie Lehm, der die Stammesmitglieder in einem nahtlosen Ganzen zusammenhielt.
Das ist eine Möglichkeit der Erklärung, ein Bild, das beschreibt, wie Sprache und Kultur anfingen und sich über die Zeit hinweg entwickelten.
Ein wichtiges Instrument, das der moderne Dialog von den amerikanischen Indianern übernommen hat, ist der Redestab. Bei den indianischen Stammesratssitzungen wird oft ein Redestab weitergegeben, um anzuzeigen, wer gerade das Wort hat. Das verhindert, dass dazwischengeredet wird, es würdigt die Redebeiträge und zeigt Respekt für die Person, die den Stab hält. Wir setzten in Gruppen oft ein solches Hilfsmittel ein, um das Tempo zu verlangsamen und/oder sicherzustellen, dass nur einer zur Zeit redet.